Erbrecht Estland

Welche internationalen Zuständigkeitsregeln sind anwendbar auf:

– das Vermögen eines Inländers oder Ausländers?
Gemäß § 24 des Internationalen Privatrechtsgesetzes wird der Nachlass nach dem Recht des letzten Wohnsitzstaates des Erblassers abgewickelt (Grundsatz der Nachlasseinheit). Demnach wird der Nachlass (unabhängig vom Belegenheitsort des Vermögens) eines estnischen oder ausländischer Staatsbürgers, der seinen Wohnsitz in Estland hatte, nach estnischem Recht abgewickelt. Hatte ein estnischer oder ausländischer Staatsbürger seinen Wohnsitz in einem anderen Staat, wird der Nachlass (unabhängig vom Belegenheitsort des Vermögens) nach dem Recht des letzten Wohnsitzstaats abgewickelt.
Befand sich der Wohnsitz des Erblassers in einem ausländischen Staat, wird ein estnischer Notar nur mit der Abwicklung des in Estland belegenen Nachlassvermögens betraut, wenn das Verfahren in dem ausländischen Staat nicht abgewickelt werden kann, oder das in dem ausländischen Staat abgewickelte Verfahren das in Estland belegene Vermögen unberücksichtigt lässt, oder das im ausländischen Staat erteilte Nachlasszeugnis in Estland nicht anerkannt wird (§ 165 (3) Erbgesetz; ErbG).

– das im Ausland befindliche Vermögen eines Erblassers?
Gemäß § 24 des Internationalen Privatrechtsgesetzes wird der Nachlass nach dem Recht des letzten Wohnsitzstaats des Erblassers abgewickelt (Grundsatz der Nachlasseinheit). Demnach kommt estnisches Recht zur Anwendung, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz in Estland hatte, aber sein Vermögen im Ausland.

Welche Behörde ist mit dem Nachlassverfahren betraut?
Das Nachlassverfahren wird von einem estnischen Notar durchgeführt (§ 165 (2) ErbG).

Wie und durch wen wird das Nachlassverfahren eingeleitet?
Um das Nachlassverfahren einzuleiten, stellt ein Erbe, ein Gläubiger des Erblassers, ein Vermächtnisnehmer oder jede andere Person, die Rechte am Nachlass hat, ein entsprechendes beglaubigtes Gesuch bei einem Notar (§ 166 (1) ErbG).
Das Nachlassverfahren wird von demjenigen Notar abgewickelt, bei dem als erstes ein Gesuch auf Eröffnung des Nachlassverfahrens gestellt wurde (§ 166 (5) ErbG).
Die Erbschaft kann innerhalb einer Frist von drei Monaten ausgeschlagen werden. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe vom Tod des Erblassers und seinem Erbanspruch Kenntnis erhält bzw. erhalten sollte.
Erfolgt die Ausschlagung der Erbschaft nicht fristgerecht, gilt die Erbschaft als angenommen.

Wie wird die Erbeneigenschaft nachgewiesen?
Gemäß § 5 ErbG ist jede Person erbfähig, die passive Rechtsfähigkeit (passive legal capacity)besitzt. Eine zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers lebende natürliche Person oder juristische Person kann zum Erben berufen sein. Ein Kind, das nach der Eröffnung der Erbschaft lebend geboren wird, wird zum Zeitpunkt des Erbfalls als erbfähig betrachtet, wenn das Kind vor dem Erbfall gezeugt wurde. Eine durch Testament oder Erbvertrag gegründete Stiftung gilt als zum Zeitpunkt des Erbfalls als bestehend, wenn sie die Rechte einer juristischen Person nachträglich erwirbt.

Gemäß § 6 ErbG ist eine Person erbunwürdig, wenn sie: 1.) vorsätzlich und rechtswidrig den Tod des Erblassers herbeiführt bzw. herbeizuführen versucht; 2.) vorsätzlich und rechtswidrig den Erblasser in eine Lage versetzt, in der er bis zu seinem Tod keine testamentarische Verfügung mehr treffen oder widerrufen kann; 3.) durch Nötigung oder Täuschung den Erblasser daran hindert, eine testamentarische Verfügung zu treffen oder zu verändern oder ihn auf dieselbe Weise dazu bringt, eine testamentarische Verfügung zu treffen oder zu widerrufen, und es dem Erblasser nicht mehr möglich ist, seine eigentliche Absicht durch Testament zum Ausdruck zu bringen; 4) vorsätzlich und rechtswidrig ein Testament oder einen Erbvertrag entfernt oder zerstört und es dem Erblasser nicht länger möglich ist, dieses oder diesen zu ersetzen; 5) das vom Erblasser errichtete Testament oder den von ihm errichteten Erbvertrag gänzlich oder teilweise fälscht. Der Elternteil eines Kindes, dem das Gericht seine elterlichen Rechte entzogen hat, kann nicht gesetzlicher Erbe des Kindes sein. Die vorstehenden Vorschriften gelten auch für Vermächtnisnehmer und andere Personen, die einen Anspruch am Nachlass haben.
Wenn keine der oben genannten Erbunwürdigkeitsgründe zutreffen, ist der Erbe erbfähig. Es gibt keine zusätzliche Kontrolle.

Muss oder kann ein Nachlassinventar errichtet werden?
Eine Inventarerrichtung ist gemäß dem ErbG zulässig. Diese dient im Allgemeinen der Beschränkung der Haftung der Erben – nach Errichtung eines Inventars ist die Haftung eines Erben für die Nachlassverbindlichkeiten auf den Wert des Nachlasses beschränkt (§ 143 (1) ErbG).

Wenn eine eingeschränkt geschäftsfähige (active legal capacity) Person, eine örtliche Selbstverwaltung oder der Staat zum Erben berufen wird, ist zwingend ein Nachlassinventar zu errichten (§ 136 (1) ErbG).

Ein Antrag auf Inventarerrichtung kann mit dem Gesuch auf Eröffnung der Erbschaft oder einem Antrag auf Annahme der Erbschaft einem Notar vorgelegt werden (§ 137 (1) ErbG).

Ein Erbe kann innerhalb von drei Monaten, nachdem er davon Kenntnis erhält bzw. erhalten sollte, dass der Nachlass für die Erfüllung der Forderungen der Nachlassgläubiger unzureichend ist, einem Notar einen beglaubigten Antrag auf Inventarerrichtung vorlegen (§ 137 (2) ErbG).

Ein Notar benennt einen Gerichtsvollzieher für die Errichtung des Nachlassinventars (§ 138 ErbG).
Das Nachlassinventar beinhaltet das gesamte Nachlassvermögen (Gegenstände, Forderungen etc.) (§ 141 (1) ErbG).
Das Nachlassinventar wird einem Notar vorgelegt. Die Inventarerrichtung gilt mit der Vorlage vor dem Notar als abgeschlossen (§ 141 (2) ErbG).

Gibt es eine Nachlassverwaltung?
Nach dem Tod des Erblassers kann das Gericht Maßnahmen zur Nachlassverwaltung anordnen, wenn: 1.) ein Erbe nicht bekannt ist; 2.) ein Erbe sich nicht am Ort des Nachlasses befindet; 3.) nicht bekannt ist, ob ein Erbe die Erbschaft angenommen hat; 4.) ein Erbe nur eingeschränkt geschäftsfähig ist und kein Vormund für ihn ernannt wurde; 5) andere rechtliche Gründe vorliegen (§ 110 (1) ErbG).

Sofern gesetzlich nicht anders bestimmt, gelten die für die Nachlassverwaltung vorgeschriebenen Maßnahmen bis zur Annahme des Nachlasses durch die Erben. Sofern gesetzlich nicht anders bestimmt, beschließt das Gericht aus eigener Initiative Maßnahmen zur Nachlassverwaltung. Est kann ebenfalls auf Antrag eines Nachlassgläubigers, eines Vermächtnisnehmers oder jeder anderen Person, die einen Anspruch am Nachlass hat, Maßnahmen zur Nachlassverwaltung anordnen, wenn ansonsten Forderungen der oben genannten Personen nicht aus dem Nachlassvermögen erfüllt werden können. Bei Rechtsstreitigkeiten über die Frage, wer Erbe ist, kann das Gericht auf Antrag einer Person, die die Anerkennung ihres Erbrechts fordert, Maßnahmen zur Nachlassverwaltung anordnen. (§ 111 ErbG).

Das Gericht bestellt für die Nachlassverwaltung einen Verwalter, dem es die Inbesitznahme, die Verwendung und Verfügung über das Eigentum anordnen kannt (§ 112 (1) ErbG)).

Das Gericht beendet die für die Nachlassverwaltung getroffenen Maßnahmen, wenn die Gründe für die Durchführung dieser Maßnahmen nicht länger bestehen (§ 115 (1) ErbG).

Auch der Erblasser kann entweder für die Vollstreckung des Testaments oder die Nachlassverwaltung einen Testamentsvollstrecker bestellen (§ 78 (1), 81 ErbG).

Wie wird das Nachlassverfahren beendet?
Der Notar errichtet ein Nachlasszeugnis, wenn genügend Nachweise über das Bestehen des Erbrechts einer Person sowie über dessen Umfang vorliegen (§ 171 (1) ErbG).

Gegebenenfalls errichtet der Notar ebenfalls eine Bescheinigung für einen Vermächtnisnehmer über die ihm durch das Vermächtnis zustehenden Ansprüche (Vermächtnisschein); dieses wird auf der Grundlage des beglaubigten Gesuchs des Vermächtnisnehmers erteilt (§ 172 (1) ErbG).

Sind Pflichtteilsberechtigte vorhanden, errichtet der Notar eine Bescheinigung für diese Person über den ihr zustehenden Pflichtteilsanspruch (Zeugnis über die Pflichtteilsberechtigung); dieses wird auf Grundlage eines von dieser Person gestellten beglaubigten Antrags erteilt (ErbG§ 173 (1).

Wie erfolgt die Übertragung des Vermögens auf die Erben/Vermächtnisnehmer?
Die Übertragung des Vermögens auf die Erben erfolgt auf der Grundlage des notariell errichteten Nachlasszeugnisses. Nach § 4 (1) ErbG geht mit Eröffnung der Erbschaft der Nachlass auf den Erben über. Nach Erteilung des Nachlasszeugnisses kann somit der Erbe alle notwendigen Registeränderungen etc. vornehmen lassen.

Ein testamentarisch angeordnetes Vermächtnis ermächtigt einen Vermächtnisnehmer, vom Vermächtnisvollstrecker die Herausgabe des als Vermächtnis übertragenen Gegenstands zu verlangen (§ 56 (1) ErbG). Vermächtnisvollstrecker können der Erbe (Erben) oder ein anderer Vermächtnisnehmer sein (§ 57 (1) ErbG). Der Vermächtnisvollstrecker muss somit einen durch Vermächtnis übertragenen Gegenstand entsprechend den für die Übertragung verschiedener Gegenstände geltenden Bestimmungen übertragen.