Der Pflichtteil

1.  Allgemeines

Der Pflichtteilsanspruch, häufig auch umgangssprachlich Pflichtanteil oder Pflichterbanteil genannt, ist die Mindestteilhabe der Pflichtteilsberechtigten an dem Nachlass. Selbst wenn pflichtteilsberechtigte Personen enterbt werden, haben diese einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses. Der Pflichtteilsanspruch ist nur unter bestimmten Umständen entziehbar, z.B. bei schweren Verfehlungen (z.B. Misshandlungen oder schlimmer) gegenüber dem Erblasser.

2. Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind die Eltern des Erblassers. Daneben ist auch der Ehegatte des Erblassers pflichtteilsberechtigt.

Die Abkömmlinge, also die Kinder des Erblassers, sind grundsätzlich uneingeschränkt pflichtteilsberechtigt. Sie schließen die Eltern des Erblassers als Pflichtteilsberechtigte aus. Sollten keine Abkömmlinge in Falle des Ablebens des Erblassers vorhanden sein, so sind die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Allerdings muss der gesamte Stamm des Abkömmlings verstorben sein, da ansonsten die Abkömmlinge des Abkömmlings in die Pflichtteilsposition eintreten.

Des Weiteren ist grundsätzlich der Ehegatte pflichtteilsberechtigt.

3.  Höhe des Pflichtteils

Der Pflichtteil selbst berechnet sich nach der Höhe des Nettonachlasses. Dieser setzt sich zusammen aus den Aktiva abzüglich der Passiva. In die Aktiva gehören alle aktiven Vermögenswerte, wie zum Beispiel Bankguthaben, Grundstücke, Hausrat u.a. In die Passiva gehören die Schulden des Erblassers, wie zum Beispiel Darlehensverbindlichkeiten und weitere Forderungen Dritter. Zudem zählen zu den Passiva die sogenannten Erbfallkosten. Dies sind die Kosten, die erst mit dem Erbfall angefallen sind. Hauptsächlich sind dies die Beerdigungskosten. Der nach dem Abzug der Passiva verbleibende Nachlass bildet die Grundlage für die Errechnung des Pflichtteilsanspruchs.

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wäre also ein einziger Abkömmling Alleinerbe, würde der Pflichtteil ein Halb betragen. Bei einem Nettonachlass von 100.000,00 € wären hier also 50.000,00 € als Pflichtteil an den Pflichtteilsberechtigten zu zahlen.

Im Weiteren kann sich zu dem Pflichtteil auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch addieren.

4.  Pflichtteilsergänzungsanspruch

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch errechnet sich aus der Summe der anrechenbaren Schenkungen. Diese ergeben den sogenannten fiktiven Nachlass. Man schaut sich hier also an, was sich noch im Nachlass befunden hätte, wenn es nicht heraus verschenkt worden wäre.

Beispiel:

Der Erblasser hat einen Monat vor seinem Ableben an eine dritte Person 200.000,00 € verschenkt. Im Nachlass befinden sich noch 100.000,00 €. Der Erblasser hatte zwei Kinder, von denen eines den Pflichtteil geltend macht. Der Erblasser war zum Zeitpunkt seines Ablebens nicht verheiratet.

Die Lösung des Falles gestaltet sich wie folgt:

Der Realnachlass besteht aus 100.000,00 €. Hiervon gebührt dem Abkömmling die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also ein Viertel. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 25.000,00 €.

Allerdings sind hier auch die herausverschenkten 200.000,00 € zu berücksichtigen. Seit dem Ableben des Erblassers ist, bezogen auf den Zeitpunkt der Schenkung, weniger als ein Jahr vergangen. Dies bedeutet, dass die Schenkung in vollem Maße anrechenbar ist. Hier ergibt sich also ein anrechenbarer, fiktiver Nachlass in Höhe von 200.000,00 €. Der Abkömmling erhält von diesen 200.000,00 € ein Viertel, also 50.000,00 €. Es ergibt sich ein Gesamtanspruch in Höhe von 75.000,00 €.

5.  Wer hat den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu zahlen?

Es stellt sich die Frage, ob der Pflichtteilsergänzungsanspruch von dem Beschenkten zu leisten ist oder aus dem Nachlass. Der Gesetzgeber hat dies dahingehend geregelt, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch zunächst aus dem Nachlass zu leisten ist, solange dieser leistungsfähig ist. Sollte der Nachlass nicht oder nicht in voller Höhe leistungsfähig sein, kann sich der Pflichtteilsergänzungsberechtigte an den Beschenkten wenden. Es kann gegenüber dem Beschenkten die Forderung erhoben werden, das Geschenk zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrages nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Betrages abwenden.

6.  Die 10 Jahres-Frist bei Schenkungen

Gemäß § 2325 BGB wird eine Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Eine Besonderheit ist, dass bei Schenkungen an den Ehegatten die Frist nicht vor Auflösung der Ehe beginnt. Erfolgen also Schenkungen unter Ehegatten, so können diese bei lang andauernden Ehen auch nach 20 oder 30 oder mehr Jahren immer noch für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches herangezogen werden.

 

Weiteres zum Pflichtteilsrecht finden Sie hier: Wissenschaftliche Texte