Die Erbengemeinschaft – ein Hort des potentiellen Streits

Statistisch betrachtet wird wenigstens jeder zweite Bundesbürger im Laufe seines Lebens Miterbe. Da in der Regel niemand den Tod des Erblassers vorhersehen kann, trifft die meisten Miterben die Verbundenheit innerhalb einer Erbengemeinschaft eher unvorbereitet. Vorbereitung wäre allerdings angesichts des Streitpotentials, das insbesondere bei Erbengemeinschaften immer wieder gründlich ausgeschöpft wird, sinnvoll. Als Daumenregel darf man davon sprechen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Streitigkeit mit der Anzahl der vorhandenen Erben wächst. Die Praxis hat gezeigt, dass ab zwei Miterben oft schon Streit entsteht, ab fünf Miterben ist der Streit aufgrund der unterschiedlichen Interessenslagen die Regel. In diesem und in folgenden Artikeln soll Ihnen die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, den möglichen Streit bereits im Vorhinein zu vermeiden. Schwelt der Brand des Streites schon, sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie Sie Ihre Rechte innerhalb einer Erbengemeinschaft am wirkungsvollsten durchsetzen können.

Die optimale Lösung ist es, das Übel der Erbengemeinschaft bei der Wurzel zu packen. Dazu müsste im besten Fall eine Miterbengemeinschaft vermieden werden. Die Vermeidung von Miterbengemeinschaften kann dadurch erreicht werden, dass erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden, die die zu bedenkenden Personen rein materiell so stellen, wie wenn sie Erben sein würden. Einzig die Stellung des Erben und damit die Auseinandersetzung mit anderen Erben entfällt.

Hierzu ein Beispiel:

Erblasser »Schlau« hat drei Kinder. Zu vererben sind eine Immobilie im Wert von 200.000 Euro, Kunstgegenstände im Wert von 50.000 Euro und ein Barguthaben in Höhe von ebenfalls 50.000 Euro. »Schlau« weiß, dass seine Kinder über die mögliche Verwertung der Immobilie uneins wären. Das Kind »Ruck« würde die Immobilie nach dem Ableben des Erblassers gerne veräußern, das Kind »Zuck« vermieten und Kind »Meins« würde die Immobilie gerne selbst bewohnen. Dazu ist »Ruck« Kunstliebhaber und würde die Kunstsammlung des Vaters gerne erhalten, während die Geschwister diese verkaufen wollen. Streit vorprogrammiert.

Der Erblasser »Schlau« möchte die Kunstsammlung in der Familie halten, das Haus verkauft wissen und jedes Kind wertmäßig gleich bedenken. Also macht »Schlau« seinem Namen alle Ehre und erstellt folgendes Testament (verkürzt wiedergegeben): »Ruck« wird Alleinerbe. »Zuck« und »Meins« erhalten als Vermächtnis einen Betrag in Höhe von 100.000 Euro. Das Vermächtnis wird mit dem Eingang des Verkaufserlöses aus dem Verkauf der Immobilie fällig, spätestens aber ein Jahr nach dem Ableben.«

Mit dem Testament schließt »Schlau« eine Erbengemeinschaft nach seinem Tode aus. »Zuck« und »Meins« sind lediglich Vermächtnisnehmer, haben also einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Erben, aber kein Mitspracherecht im Hinblick auf die Verwertung und Verteilung des Nachlasses. Der Erbe »Ruck« wollte die Immobilie ohnehin verkaufen und kann aus dem Erlös in Höhe von 200.000 Euro seine Geschwister befriedigen. »Ruck« behält die Kunstsammlung und hat zudem noch 50.000 Euro.

Im Ergebnis wurde mit diesem Testament Streit vermieden und der Wille des »Schlau« umgesetzt. Zwar konnte nicht jeder Wunsch der Kinder umgesetzt werden. Dies wäre jedoch aufgrund der gegensätzlichen Wünsche auch nicht möglich gewesen. Jedes Kind ist aber im Ergebnis gleich bedacht worden. Groll wegen der erbrechtlichen Regelung hätte sich gegen den Erblasser zu richten, welcher sich dann alles mit einem entspannten Schmunzeln von oben anschauen könnte. Die Geschwister jedenfalls hätten weiterhin ein friedliches Miteinander.

 

Fortsetzung folgt…