Die Bindungswirkung

Die Bindungswirkung des Ehegattentestaments

Eine typische Situation: Ein Ehepartner verstirbt. Nach dem gemeinsamen Testament erbt der  überlebende Ehegatte alles. Die Kinder sollen erst nach dem Ableben beider Ehegatten erben.

Bei der testamentarischen Konstellation tritt in der Regel die sog. Bindungswirkung ein. Mit dem Tode des Ehepartners ist der überlebende Ehegatte daran gehindert, das Testament in seinem Grundgehalt abzuändern. Dies gilt insbesondere für die Erbeinsetzung.

Den meisten Personen, die ein Testament in dieser Weise erstellen, ist dies bekannt. Allerdings wird oft nur die positive Seite der Bindungswirkung wahrgenommen. Es ist selbstverständlich von Vorteil, wenn sich die Ehepartner sicher sein können, dass nach dem jeweiligen Ableben des anderen Partners, die gemeinsame Nachlassgestaltung aufrecht erhalten bleibt. So ist gesichert, das am Ende nicht willkürlich der überlebende Ehegatte über den Verbleib des einstmals gemeinsam erwirtschafteten Vermögens entscheidet (z.B. Einsetzung der Lieblingstochter zur Alleinerbin).

Die Bindungswirkung hat aber auch negative Seiten. Sollten sich die als Schlusserben bedachten Personen als undankbar erweisen, sich der überlebende Ehegatte mit den Erben zerstreiten oder andere Vorkommnisse eintreten, kann dies aus Sicht des überlebenden Ehegatten die Abänderung der Erbfolge oder eine andere Verteilung des Nachlasses notwendig erscheinen lassen. Eine Möglichkeit hierzu bestünde aufgrund der Bindungswirkung aber nicht. Die Erben könnten also pöbelnd mit herausgestreckter Zunge vor dem verbliebenen Ehegatten stehen und könnten nicht enterbt werden. Auch könnten Vermögensentwicklungen der Erben, die zu einer anderen Verteilung des Nachlasses führen würden, nicht mehr berücksichtigt werden.

Aber Sie ahnen es bereits. Auch hier kann vorgebeugt werden! Denken Sie bei der Erstellung Ihres Ehegattentestaments daran, eine Freistellungs- bzw. Abänderungsklausel einzufügen. Diese Klausel ermöglicht es, Änderungen am Testament vorzunehmen, obwohl einer der Ehegatten bereits verstorben ist. In der Gestaltung hinsichtlich der Art und des Umfangs sind die Ehegatten frei. So kann zum Beispiel eine Abänderung der Erbquoten unter den bereits eingesetzten Erben ebenso möglich sein, wie die Änderung des bedachten Personenkreises. Für diese Klausel müssen die Ehegatten die jeweils spezielle familiäre Situation ausloten, um individuell Abänderungsmöglichkeiten im Testament festzulegen.

Die Berücksichtigung von Abänderungsmöglichkeiten im Testament kann schon zu Lebzeiten helfen, zukünftigen familiären Ärger zu vermeiden und (sach)gerechte Lösungen zu schaffen. Bei der Erstellung Ihres Testaments sollten Sie diese Möglichkeit in Betracht ziehen.

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Testamentsvollstreckung – wann ist sie sinnvoll und wie kann sie gestaltet werden