Bauen und Erbrecht Teil 2

Artikel Ventus, Thema: Bauen und Erbrecht

Unverhofft kommt leider oft (Teil 2)

– Welche erbrechtlichen Konsequenzen beim Kauf oder Bau einer Immobilie zu beachten sind –

Wenn Paare zusammen eine Immobilie bauen oder erwerben, führt dies zu einer Erweiterung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse. Zudem ist für so einen Fall typisch, dass ein Darlehen zur Finanzierung der Immobilie aufgenommen wird. Im Regelfall haften beide Partner für die Rückzahlung des Darlehens. Unmerklich unter der Oberfläche ergeben sich dann durch diese Veränderungen der persönlichen Verhältnisse erbrechtliche Konsequenzen, deren Ausmaß häufig erst dann sichtbar wird, wenn einer der Partner vorzeitig verstirbt. Dieser Artikel soll dazu dienen, die erbrechtlichen Fallstricke offenzulegen und die Möglichkeit eröffnen, aktiv gegen mögliche Gefahren vorzugehen. Anhand von typischen Konstellationen wird dem Leser anschaulich das Risiko, aber auch die Möglichkeit der Minimierung des Risikos aufgezeigt.

1. Beispiel

Ein verheiratetes Paar erwirbt eine Immobilie. Das Ehepaar lebt in Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Beide Partner werden jeweils zur Hälfte Eigentümer der Immobilie. Zur Finanzierung der Immobilie wurde ein Darlehen in Höhe des Kaufpreises aufgenommen. Die Darlehensraten werden monatlich aus dem gemeinsam erwirtschafteten Einkommen gezahlt. Es liegt kein Testament vor.

Dieses Fallbeispiel zeigt die typische Konstellation bei ehelichen Lebensgemeinschaften.

Verstirbt nun einer der Ehepartner, kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Da die Eheleute in Zugewinngemeinschaft gelebt haben, erhielte grundsätzlich der überlebende Ehegatte die Hälfte des Nachlasses, die beiden Kinder müssten sich die weitere Hälfte teilen. Da dem verstorbenen Ehegatten nur die Hälfte der Immobilie gehörte, kann auch nur diese Hälfte in den Nachlass fließen. Dies würde rechnerisch bedeuten, dass der überlebende Ehegatte am Ende 3/4 der Immobilie als Eigentum hätte. Die Kinder würden sich 1/4 der Immobilie teilen.

Wo liegt die Gefahr in derartigen Konstellationen?

Sollte das Familiensystem nicht mehr intakt sein, besteht die Gefahr, dass die Kinder sich hinsichtlich des Wertes des Immobilienanteils auszahlen lassen wollen. Ist nicht genügend Liquidität vorhanden, müsste die Immobilie insgesamt veräußert werden, damit die Kinder ausbezahlt werden können. Der überlebende Ehegatte müsste durch den Verkauf das Haus verlassen und sich ein anderes Umfeld suchen. Gerade bei jahrzehntelangen, gut gewachsenen nachbarschaftlichen Beziehungen, kann dies im Leben des überlebenden Ehegatten einen erheblichen Einschnitt darstellen. Dies gilt es zu vermeiden. Ob dies überhaupt möglich ist, und wenn ja, wie, ergibt sich aus den weiteren Beispielen.

Abwandlung 1

Unter Abwandlung des ersten Beispiels liegt jetzt ein sogenanntes „Berliner Testament“ vor.

Das Berliner Testament bewirkt, dass sich die Ehegatten jeweils für den ersten Erbfall zu Alleinerben einsetzen und die Kinder dann den überlebenden Ehegatten beerben. Dies bedeutet, dass die Kinder für den ersten Erbfall enterbt sind. Der überlebende Ehegatte erbt den Anteil des verstorbenen Ehegatten an der Immobilie vollständig. Damit können die Kinder nicht mehr in ihrer Eigenschaft als Miterben direkten Einfluss auf den Verkauf der Immobilie nehmen. Allerdings verbleibt den Kindern durch den sogenannten Pflichtteil noch eine indirekte Einflussnahme. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. In diesem Beispiel würde der Pflichtteil 1/8 betragen. Dies bedeutet, dass die Kinder grundsätzlich auch mit 1/8 an dem hälftigen Immobilienanteil beteiligt sind. Allerdings haben die Kinder nur einen Anspruch auf eine Geldzahlung. Auch hier könnte es bei einer knappen Liquidität wiederum zu einem Verkauf der Immobilie kommen, um die pflichtteilsberechtigten Kinder auszuzahlen. Immerhin wäre hier schon eine Halbierung der Ansprüche der Kinder eingetreten. Das Grundproblem ist damit zwar durch eine geringere Zahlung entschärft, aber nicht gelöst. Daher ist noch ein weiterer Schritt notwendig.

Abwandlung 2

In Abwandlung des zweiten Beispiels wird in dem Berliner Testament die Klausel eingefügt, dass dasjenige Kind, welches Pflichtteilsansprüche nach dem Erstversterbenden geltend macht, auch für den zweiten Erbfall nur auf den Pflichtteil gesetzt ist.

Die obige Abwandlung bewirkt, dass für den Fall der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im ersten Erbfall das Kind zur Strafe auch für den zweiten Erbfall nur auf den Pflichtteil gesetzt wäre. Da das Pflichtteil geltendmachende Kind im zweiten Erbfall nur die Hälfte dessen erhielte, was es ansonsten erhält, hat diese Klausel häufig eine abschreckende Wirkung. Allerdings verpufft diese Wirkung schnell, wenn sich das pflichtteilsberechtigte Kind in Geldnöten befindet und unbedingt schon zum Zeitpunkt des Ablebens des ersten Elternteils Geld benötigt. Dann wird am Ende nicht mehr auf die erbrechtlichen Konsequenzen geschaut.

Daher gibt es den optimalen Weg der Absicherung nur durch ein Mitwirken der Kinder. Dies wird im nächsten Fallbeispiel dargestellt.

Abwandlung 3

In Abwandlung des dritten Beispiels schließen die Eltern und die Kinder zusammen einen Erbvertrag.

In diesem Erbvertrag ist vorgesehen, dass der überlebende Elternteil zunächst Alleinerbe wird. Schlusserben werden die Kinder zu gleichen Teilen. Weiterhin erklären die Kinder, dass sie gegenüber ihren Eltern jeweils auf den Pflichtteil verzichten.

Mit der oben genannten Konstellation besteht tatsächlich die Sicherheit, die für die Eltern notwendig ist. Da die Kinder auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, können die Eltern nicht mehr hinsichtlich eines Pflichtteils in Anspruch genommen werden. Der überlebende Elternteil kann die Immobilie weiter bewohnen und ist nicht dem Risiko ausgesetzt, die Immobilie veräußern zu müssen.

Die Kinder wiederum haben über den Erbvertrag die Sicherheit, dass sie tatsächlich auch Schlusserben des Letztüberlebenden werden. Denn der Erbvertrag kann, anders als ein Testament, nicht ohne die Zustimmung der Kinder – als Vertragspartner – nochmals abgeändert werden.

In der Praxis kommt diese optimale Kombination so gut wie nie vor. Naturgemäß scheuen sich auf der einen Seite die Eltern, auf die Kinder mit dem Begehren des Pflichtteilsverzichts zuzugehen. Kinder scheuen sich wiederum, ihre Eltern mit erbrechtlichen Fragen zu belasten. Ein wenig mehr Offenheit in diesen Fragen würde viel dazu beitragen, Rechtssicherheit zu schaffen und Streitigkeiten im Falle des Ablebens eines Elternteils zu vermeiden. Wer dann den ersten Schritt geht und die Diskussion anstößt, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist nur, dass einer der Beteiligten den ersten Schritt wagt, um zukünftigen Schaden für die Familie abzuwenden.