Eine gute Nachricht für alle, die als nichteheliche Kinder vor dem 01.07.1949 geboren wurden.
Grundsätzlich hat diese Personengruppe keinen erbrechtlichen Anspruch gegen den leiblichen Vater. Grundlage hierfür war der Artikel 12 § 10 des Nichtehelichengesetz von 1969. Dort wurde postuliert, dass das nichteheliche Kind mit Vater schlichtweg nicht verwandt sei. Begründet wurde diese gesetzliche Regelung mit dem Hinweis darauf, dass die Väter unehelicher Kinder Vertrauensschutz im Hinblick auf die letztwillige Verfügung genießen müssten. Der Schutz des nichtehelichen Kindes fand hingegen keine Beachtung. Als dann das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20.11.2003 diese erbrechtliche Regelung für verfassungsgemäß erklärte, da es ebenfalls den Vertrauensschutz für die Väter und die väterlichen Verwandten voranstellte, schien diese Regelung zementiert zu sein.
Damit wollte sich eine uneheliche Tochter, geboren 1948, nicht abfinden. Sie prangerte an, dass das ungleiche Nichtehelichen-Erbrecht in Deutschland gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen würde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied dann am 28.05.2009, dass der Ausschluss derjenigen nichtehelichen Kinder vom gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht am Vater, die vor dem 01.07.1949 geboren sind, im Einzelfall gegen Artikel 8 EMRK verstoßen kann. Zwar wirkte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte lediglich zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland. Dies bedeutete, ihre Pflichtteilsansprüche nicht etwa gegenüber den Erben geltend machen konnte. Allerdings muss die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der gegen europäisches Recht verstoßenen Gesetzeslage die Klägerin entschädigen. Ihren Pflichtteil erhält die Klägerin jetzt in Form einer Entschädigung vom Staat.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass jeder Einzelfall jeweils einzeln zu beurteilen sei. Allerdings bestehen sehr gute Chancen, dass auch alle anderen Fälle, die vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte getragen werden, einen positive Entscheidung erhalten. Denn Artikel 14 EMRK verbietet die Diskriminierung unter anderem wegen der Geburt.
Sollten Sie also unter diese Personengruppe fallen, hätten Sie die Möglichkeit auch bereits abgeschlossene Erbschaftsverfahren anzugreifen. Auch die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen dürfte erst seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ihren Lauf begonnen haben. Denn zuvor musste davon ausgegangen werden, dass nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts keinerlei Möglichkeiten für Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs bzw. eines Erbteils bestanden.
Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel:
Der vor dem 01.07.1949 nichtehelich geborene C., dessen Vater vor 15 Jahren verstarb, hatte zu diesem Zeitpunkt kein Erbrecht. Nunmehr kann dieser Sachverhalt wieder aufgegriffen werden. Ansprüche bestünden jetzt wieder gegenüber den damaligen Erben. In der Regel werden dies Pflichtteilsansprüche sein, da bei dem Vorhandensein von nichtehelichen Kindern in der Regel ein Testament erstellt wird. Falls die gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre, käme sogar eine Beteiligung am Nachlass als Miterbe in Betracht.
Ist Ihr leiblicher Vater verstorben und wurden Sie von den Erben mit dem Hinweis auf das Ausschlussdatum 01.07.1949 mit Ihren Ansprüchen zurückgewiesen? Jetzt haben Sie die Möglichkeit, Ihr Recht auf einen Nachlassanteil doch noch erfolgreich durchzusetzen.
Zudem bestünde der Anspruch auf den Pflichtteil bzw. auf den Erbteil im Stamm fort. Dies bedeutet, dass auch Kinder von bereits vorverstorbenen Eltern deren Rechte geltend machen können.
Die Tür für die Entdiskriminierung von nichtehelichen Kindern, die vor dem 01.07.1949 geboren wurden, steht weit offen. Es liegt nunmehr an den Betroffenen, die Schwelle zu überschreiten und der Gerechtigkeit den Weg zu ebnen.